Home Power Solutions: Die totale Autarkie
Drei Quadratmeter im Keller reichen aus, um die Rundumversorgung des Hauses mit Strom, Wärme und Lüftung für vier bis fünf Personen sicher zu stellen. Dazu kommt die Photovoltaikanlage auf dem Dach und ein Wasserstofftank, der irgendwo auf dem Grundstück platziert werden kann und noch einmal rund drei bis fünf Quadratmeter Grundfläche benötigt. Das ist das Konzept von Zeyad Abul-Ella und Henrik Colell, den beiden Gründern und Geschäftsführern von Home Power Solutions. Ende des Jahres soll ein entsprechendes System mit dem Namen Picea auf den Markt kommen. Auf der ISH, die nächste Woche in Frankfurt stattfindet, wird es erstmalig vorgestellt.
„Wir bedienen einen Menschheitstraum und machen im ersten Schritt Ein- und Zweifamilienhäuser stromunabhängig, im zweiten Schritt bieten wir auch Produkte für größere Häuser und für die Wärmeunabhängigkeit an“, sagt Zeyad Abul-Ella. Auch wenn es im ersten Schritt noch nicht zur totalen Wärmeautarkie reicht, ist die Wärmeversorgung schon mitgedacht. Nach Einschätzung von Abul-Ella wird das Gerät je nach Isolierung der Gebäudehülle zusätzlich zur Stromunabhängigkeit bis zu 60 Prozent des Wärmebedarfs abdecken.
Im Prinzip ist es nach Aussage der Gründer wirklich möglich, auf den Stromanschluss zu verzichten. Das Gerät kann acht Kilowatt Dauerleistung zur Verfügung stellen und kurzzeitig 20 Kilowatt Spitzenleistung, so dass es wirklich Offgrid-fähig ist. Um einen typischen Vier-Personen-Haushalt mit 4.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch zu versorgen, empfehlen sie unter Berücksichtigung der Wirkungsgrade und der Größe des Wasserstoffspeichers eine Photovoltaikanlage von acht bis zwölf Kilowatt.
Die Autarkie ist allerdings gar nicht das primäre Ziel, wenn das System in Deutschland eingesetzt wird. „Wir denken auch darüber nach, was für Netzdienstleistungen man mit dem Gerät anbieten kann“, sagt Colell. Es sei sinnvoll, so der promovierte Physiker, die Energiespeicherkapazität von Picea von rund einer Megawattstunde auch im Netz zu nutzen. Diese hohe Kapazität wird durch einen 35 Kilowattstunden Kurzzeit-Batteriespeicher und den Wasserstofftank zur Verfügung gestellt. Auf einem Quadratmeter Grundfläche lässt sich in dem 1,80 Meter hohen Tank ein Äquivalent von rund 200 Kilowattstunden Strom speichern. Abul-Ella betont, dass sie bei Home Power Solutions zwei Sichtweisen vereinen. Sie seien zum einen fokussiert auf den Endkunden und dessen Bedürfnisse, zum anderen wollten sie ein Produkt schaffen, das in ein ganzheitliches Konzept für die Energiewende passt. „Nur so können wir unternehmerisch erfolgreich sein, sagt er.
Gretchenfrage Kosten
Die Gretchenfrage dürfte trotzdem sein, was das Picea am Ende kosten wird. Noch geben die Gründer keinen Preis bekannt, da sie sich noch in Verhandlungen mit Händlern und Abnehmern befinden. Ende des Jahres wollen sie ihn aber öffentlich kommunizieren. „Wir sind uns sicher, es wird ein wettbewerbsfähiges Produkt sein“ sagt Abul-Ella. Eine Emnid-Umfrage habe ergeben, dass 70 Prozent der Einfamilienhausbesitzer den Wunsch nach Autarkie verspürten. Das sagt natürlich noch nichts darüber aus, was sie dafür bezahlen wollen. „Wir sehen anfangs einen Markt von zwei Prozent der Hausbesitzer, wenn wir die Kosten berücksichtigen“, sagt sein Partner Colell.
Zeyad Abul-Ella (li.) und Henrik Colell (re.), die Gründer von Home Power Solutions, im Interview mit Michael Fuhs (Mitte). Foto: pv magazine
Die Autarkieversprechen der Batteriespeicher sind, so Colell, ja eigentlich nur das Versprechen einer Teilautarkie, da sie die im Winter nötige Energie nicht bereitstellen können. Nimmt man eine kleine KWK-Anlage dazu, ersetzt man den Stromanschluss lediglich durch einen Gasanschluss. Damit habe Picea als Alleinstellungsmerkmal die wirklich 100 prozentige Stromunabhängigkeit, später sogar inklusive der gesamten Wärme. Der Physiker sagt, er habe schon während seiner Promotion in der Photovoltaikforschung am damaligen Hahn-Meitner-Institut die Notwendigkeit gesehen, Solarenergie grundlastfähig zu machen. „Dafür reichen in Deutschland Batterien nicht aus“, sagt er.
Es ist nicht das erste Projekt, das auf Basis von Power-to-Gas für Einfamilienhäuser den im Sommer und Herbst erzeugten Solarstrom für den Winter zwischenspeichern soll. Fronius hat schon vor langer Zeit daran gearbeitet, damals wurden mögliche Preise von über 100.000 Euro dafür gehandelt. Andere Anbieter sind in der Zwischenzeit aufgetreten und haben Preise von 10.000 Euro in den Raum gestellt. Picea dürfte irgendwo dazwischen liegen.
Aufbau des Systems
Das System punktet nach Ansicht der Gründer vor allem mit weiteren Eigenschaften: Es speichert eben nicht nur den Strom, sondern erzeugt auch Wärme. Dabei nutzt es auch die Abwärme, die bei der Erzeugung und Verstromung des Wasserstoffs in der Brennstoffzelle anfällt. Die Wärme geht teilweise in einen Pufferspeicher für das Warmwasser. Teilweise heizt sie über die Luft das Haus. Der Wirkungsgrad eines Zyklus der Solarstromeinspeicherung in den Wasserstofftank und der Rückverstromung liegt bei rund 40 Prozent. Dadurch dass die Wärme mitgenutzt wird, steigt er auf rund 80 Prozent. Die Brennstoffzelle wird stromgeführt betrieben. Daher kann sie nicht den gesamten Wärmebedarf des Hauses decken und es ist noch eine zusätzliche Wärmequelle nötig. Für den zweiten Schritt wird das Unternehmen daher zusätzlich einen kleinen Wasserstoffbrenner integrieren, so dass auch die Wärmeautarkie gesichert ist. Derzeit steht die Stromautarkie im Vordergrund, da das Produkt dadurch leichter standardisierbar ist. Das Versprechen gegenüber dem Kunden ist die Stromunabhängigkeit. Bis zu 60 Prozent der Wärme bekommt er dann „geschenkt“ dazu.
„Picea ist außerdem eine vollständige Anlage für die kontrollierte Wohnraumlüftung“, sagt Abul-Ella. Diese werde zunehmend nötig, wenn Gebäudehüllen entsprechend der Richtlinien isoliert werden. Auch dabei gibt es einen Synergieeffekt mit der Brennstoffzellentechnik. Bei der Verstromung wird nämlich Feuchtigkeit frei. Diese wird benutzt, um die Wohnraumluft zu befeuchten, „für ein gesundes Wohnraumklima“, wie Abul-Ella erklärt.
Wie bei Batteriespeichern stellt sich die Frage, warum man die Systeme für Einfamilienhäuser dimensionieren soll statt Power-to-Gas im großen industriellen Maßstab mit allen Skaleneffekten zu nutzen. „Es wird viele Konzepte nebeneinander geben“, sagt Abul-Ella, „aber beim dezentralen System im Einfamilienhaus haben wir den Vorteil, dass wir die Wärme nutzen können“. Das steigert den Gesamtwirkungsgrad und ist ein Vorteil gegenüber den zentralen Systemen.
Das Know-how der Firma sehen die Gründer in der Systemintegration und dem Energiemanagement. Die Brennstoffzellenstacks kaufen sie ein, aber die Module, in die diese eingebaut werden und die die kombinierte Wärmenutzung ermöglichen, haben sie selber entwickelt. Eine Herausforderung bei der Wasserstofftechnik ist die Kompression, durch die das Gas auf kleinem Raum gespeichert werden kann. Die Gründer haben es nach eigener Aussage geschafft, einen Exklusivertrag für den Bezug von günstigen Kompressoren in dieser Größenordnung zu bekommen. Das sei ein Grund dafür, warum sie erfolgreich sein würden, die Power-to-Gas-Technologie in kleinem Maßstab wettbewerbsfähig zu machen.
Mit der Wasserstofftechnik haben sich die Gründer bereits vor Gründung ihres neuen Unternehmens beschäftigt. Sie haben schon bei Heliocentris zusammen gearbeitet, wo das Projekt auch bereits gestartet wurde. Im Dezember 2014 entstand Home Power Solutions als Spin-off von Heliocentris. Das Unternehmen finanziert sich über private Investoren, die teilweise auch im Aufsichtsrat vertreten sind. Darunter sind bekannte Namen wie Hans-Peter Villis, der fünf Jahre als CEO den Energiekonzern EnBW geleitet hat, Paul Grunow, Mitgründer unter anderem von Solon, Q-Cells und dem Photovoltaik-Institut in Berlin und Klaus Martini, der seit über 30 Jahren im Finanz- und Investmentgeschäft tätig ist. Inzwischen haben sie rund 25 Mitarbeiter.
Die Roadmap für Picea sieht vor, dass jetzt die ersten vier Testinstallationen in Angriff genommen werden. Im Herbst beginnt der offizielle Vertrieb. Ausgeliefert werden sollen die ersten Geräte im Laufe des Jahres 2018. (Michael Fuhs)